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Erfahrungsbericht Frau Z. - Diagnose Anorexie und das Bild einer perfekten Frau

Kälte, Wut, Selbsthass und das Gefühl nicht genug zu sein - Das waren meine stetigen Begleiter. Es dauerte seine Zeit zu akzeptieren, dass ich in meinem Leben an einem Punkt angekommen war, an dem ich nicht mehr alleine über mein Leben bestimmen konnte. Viel zu sehr war ich in dem Bild einer perfekten Frau gefangen und viel zu sehr wollte ich diesem Bild entsprechen. In meinem Perfektionismus habe ich vollkommen vergessen, dass ich auch glücklich sein darf. Als mein Arzt mir die Behandlung in einer Klinik für Esspatienten vorgeschlagen hat, fühlte ich mich schlecht. Nie hätte ich gedacht, dass Perfektionismus ein echtes Problem sein konnte. Damals realisierte ich gar nicht mehr, dass ich mich mit meinem Streben nach Perfektion in Lebensgefahr brachte. Doch um meinem Umfeld nicht länger zur Last zu fallen, stimmte ich dem Vorschlag zu.

Ein paar Wochen später packte ich meine Koffer und fuhr nach Herzogenbuchsee. Die ersten Tage in der Klinik Wysshölzli waren, zu meiner grossen Verwunderung, nicht allzu unangenehm. Klar, es war ungewohnt und ich fühlte mich beobachtet, doch irgendwie war es auch schön, dass ich mit meinen Gedanken nicht mehr alleine war. Endlich fühlte ich, dass die Angewohnheit „nicht zu essen“ nicht nur mein Problem war, sondern dass es auch für andere schwer war. Das gab mir sehr viel Kraft und so versuchte ich mein Bestes. Zum ersten Mal seit Monaten ass ich wieder regelmässig. Natürlich war jede Mahlzeit ein Kampf, doch die meisten Kämpfe konnte ich gewinnen. Also verlief die erste Woche ziemlich gut und ich wunderte mich, wieso man eine solch lange Behandlungszeit zur Genesung „benötigte“. Die Therapien taten mir gut und ich fühlte mich wieder etwas lebendig. Nur mein „leerer“ Terminplan machte mir Sorgen. Ich wollte ja so schnell wie möglich wieder funktionieren, da ich mir bereits ausmalte, wie ich die Klinik nach wenigen Wochen verlassen durfte und wieder „normal“ funktionieren würde. Heute weiss ich, dass das eine Illusion war, denn spätestens als ich zum ersten Mal auf der Waage stand und sah, dass ich tatsächlich zugenommen hatte, fühlte ich mich schrecklich. Da realisierte ich erst, dass man in der Klinik nicht bloss zunehmen musste. Nein, es war viel mehr das Aufarbeiten der Gründe für die Krankheit.

So gut es in der ersten Woche ging, so schlecht lief es in den darauffolgenden. Ich nahm zwar zu, wie es mir aufgetragen war, aber ich fühlte mich schrecklich und konnte mich überhaupt nicht mit meinem veränderndem Körper anfreunden. Zum Glück musste ich durch dieses Gefühlschaos nicht alleine durch. Ich weiss heute, dass ich ohne die Bewegungs-, Körper- und vor allem Maltherapie niemals weiter zugenommen hätte. In diesen Stunden konnte ich lernen, mich als Mensch zu spüren. Fühlen, was es bedeutet zu leben. Fühlen, dass es auch ein Leben ohne Spiegelbild gab. Fühlen, dass ich genügte. Fühlen, dass mein Körper viel mehr ist, als eine Hülle meiner Seele. Keinesfalls waren die Therapien einfach, doch ich war niemals ein Mensch, der den einfachsten Weg wählen wollte. Während meiner grosszügigen Freizeit ging ich oft spazieren. Etwas, was ich mir in meinem früheren Leben niemals erlaubt hatte. Das Laufen fiel mir anfangs schwer und ich war froh, dass fast immer eine Mitpatientin mitkam. Es tat unglaublich gut, einfach nebeneinander zu spazieren und sich die Geschichten von den anderen Frauen anzuhören. Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich verstanden. In der Klinik lernte ich viele Frauen kennen. Wunderbare Menschen, die einfach nicht so viel Glück gehabt hatten, wie andere Menschen. Wenn ich einen positiven Punkt für meine Erfahrung mit der Magersucht nennen muss, dann wäre es die Chance, diese wunderbaren Menschen kennenzulernen. Das half mir ungemein. Die Gruppengespräche mit den Mitpatientinnen und den Therapeuten waren meist schwer aber auch sehr spannend und lehrreich. Endlich bekam ich Tipps von Frauen, die dasselbe durchmachten wie ich.

Die Wochen vergingen und ich nahm immer weiter zu. Ich fühlte, wie mein Körper begann, wieder gesund zu werden. Ich spürte, wie das Leben zurückkam und damit auch die Freude an kleinen Dingen. Es fühlte sich an, als ob ich aus einem dichten Nebel heraustrat. Die Gespräche mit den Therapeutinnen halfen mir dabei, die letzten Nebelfetzen zu verscheuchen. In diesen 12 Wochen habe ich mich stärker verändert, als in all den Jahren meiner Pubertät. Der Vergleich mag auf den ersten Augenblick seltsam erscheinen, doch als ich zunahm, machte mein Körper dieselben Veränderungen noch einmal durch. Anfangs war es beängstigend, doch diese Veränderungen liessen mich von einem gesunden Leben träumen. Ich habe während dieser Zeit gelernt, die Schuldgefühle meiner Vergangenheit abzulegen und frei zu atmen und meine eigenen Entscheidungen zu treffen. Meine Persönlichkeit hat sich verändert. Ich wurde mehr zu mir selber und ich habe begonnen, nicht mehr irgendwelchen Idealen hinterher zu rennen, sondern mein eigenes Leben in meine Hände zu nehmen. Beim Austritt war ich sehr unsicher, ob ich all das alleine hinbekommen würde, da ich mich leider nicht auf einen Freund oder auf meine Familie verlassen konnte. Aber ich wusste, dass der Klinikaufenthalt mir alle Werkzeuge in die Hand gegeben hat, um mein Leben aufzubauen. Deswegen nutze ich nun diese Chance um irgendwann auf diese Zeit zurückzublicken und zu sagen, dass ich es schlussendlich geschafft habe, gesund zu werden.

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